Jeder von uns ist fast überall auf der Welt ein Tourist. Ich bin gerne Tourist. Reisen ist meine Leidenschaft. Fremdes und Neues kennen lernen. Menschen aus anderen, fremden Kulturen begegnen. Suchen – Fragen – Finden. So geht das meist. Manche finden sich dann mit einem Mietwagen in der Altstadt von Rothenburg ob der Tauber wieder. Das Navi hat sich am Stadttor verabschiedet und der Beifahrer hält den vorher ausgedruckten Stadtplan auf dem Kopf.
Als weitgereister Weltenbummler kenne ich diese Situationen (leider) aus eigener Erfahrung. Aber dadurch habe ich auch schon schöne Urlaubsgeschichten mit nach Hause gebracht. Manchmal taucht ein Engel auf und hilft einem weiter. Manchmal fühle ich mich dazu berufen ein solcher Engel zu sein. Denn in der Rothenburger Altstadt macht mir so schnell niemand was vor. Daraus sind schon des Öfteren schöne Geschichten entstanden.
Eine Urlaubsgeschichte in Franken
Unvergesslich, es war Sommer, wahrscheinlich kurz vor dem Taubertal Openair. In der Zeit verdoppelt sich die Einwohnerzahl von ca. 11.000 mal schnell für ein paar Tage. Ich war mit dem Fahrrad vom Plönlein ich Richtung Marktplatz unterwegs. An der Ecke, vor dem Kriminalmuseum, stand ein alter VW-Bus auf der Kreuzung. Der Fahrer mit der Frage im Gesicht „Soll ich, oder soll ich nicht, in diese kleine enge Gasse einbiegen? “ Die Frage war übrigens berechtigt. Die Antwort ganz klar „Besser nicht!“.
Da ihm anscheinend niemand in dem VW-Bus diese Antwort geben konnte, hielt ich an, stieg ab und gab ihm die Antwort. „In die Gasse biegst Du besser mit deinem VW-Bus nicht ein.“ Das führte allerdings direkt zur nächsten Fragen. „Wohin dann?“ Nun, Engel und Rothenburger Stadtführer haben auf so etwas eine Antwort. Allerdings galt es für mich davor noch zu wissen wohin sie überhaupt wollten. Die genannte Adresse kannte ich. Den Weg dorthin natürlich auch. Nur die Erklärung, wie Sie durch das Gewirr von Einbahnstraßen mit ihrem alten VW-Bus in der Rothenburger Altstadt fahren mussten, gestaltete sich schwierig.
Odysee durch eine mittelalterliche Stadt
„Was haltet ihr davon wenn ich zu Euch in den Bus springe und den Weg einfach zeige?“ Diese Frage war meine Reaktion auf die Herausforderung ein Auto, ohne Verstöße gegen die deutsche Straßenverkehrsordnung (StVO.), durch die Rothenburger Altstadt zu lotsen. Die Tür ging auf, ich sah mich plötzlich 4-5 Jungen Männern und einem Bierlager gegenüber und stieg ein. Als kleinen Dank für meinen Dienst erbat ich mir ein Bier. Die Flasche ging auf, die Tür zu und dann ging es los.
Hinter Fahrer und Beifahrer sitzend, mit einer Flasche Bier in der Hand, gab ich meine Anweisungen. Erst rechts, in die „Untere Schmiedgasse“, dann an der 2. Links, in die „Wenggasse“. Vorbei am Rödertor und auf der Rosengasse bis zur Galgengasse. Dann wieder links usw. Am Ende waren wir gar nicht so weit weg von dem Ort an dem ich in den alten VW-Bus gestiegen war. Aber wir waren am Ziel und das ohne Verstöße gegen die StVO.
Ich nahm den letzten großen Schluck aus meinem Bier, wünschte den Jungs eine schöne Zeit in Rothenburg, verabschiedete mich und war in ca. 5 Minuten zurück bei meinem Fahrrad. Viel weiter ist es zu Fuß selten in der Rothenburger Altstadt. Nur mit dem Auto kann sich das ziehen, vor allem wenn man sich nicht auskennt. Da sind schon einige Stunden lang unterwegs gewesen. Ja sogar stecken geblieben, wie damals einer mit seinem Wohnwagen im Trompetergässchen.
So versuche ich immer mal wieder zu helfen. Zu Beginn der Saison 2009 oder 2010, ich kam gerade aus Südamerika und hatte in La Paz und Santiago de Chile so meine Erfahrungen gemacht, war ich besonders motiviert. Es ist einfach schön wenn jemand plötzlich auftaucht und seine Hilfe anbietet. Das zumindest ist meine Erfahrung. Wenn sich also die Gelegenheit ergibt, erkläre ich Gästen gerne den Weg. Gelebte Gastfreundschaft!
Aber das ist nicht immer so einfach.

ErFAHRungen auf einer Reise durch Deutschland
Folgende Situation. Ähnlich wie beim VW-Bus. Nur war es dieses Mal ein teurer Mercedes, der am Rand des sehr belebten Marktplatzes stand. Der Platz und die Gassen drum herum waren voll mit Fußgängern. Ein älteres Ehepaar, vermutlich aus Fernost, war kurz davor in die Fußgängerzone zu fahren. Keine gute Idee!
Denen kann geholfen werden, dachte ich, nahm mir die Zeit und klopfte vorsichtig an die Seitenscheibe des Fahrers. Genauso vorsichtig senkte sich diese um ca. 20 cm. Durch das halb geöffnete Fenster bot ich meine Hilfe an. Das gesuchte Hotel war gar nicht so weit weg wenn man denn in diesem mittelalterlichen Kleinod so fahren könnte wie man wollte. So war es, wie meist, etwas kompliziert.
1. Option: Eine mündliche Wegbeschreibung. Die scheiterte schon mal an den mangelnden Englischkenntnissen der Gäste. Mein Japanisch, Chinesisch, Koreanisch etc. reicht dafür auch nicht aus.
2. Option: Eine schriftliche Wegbeschreibung. Wäre möglich gewesen, ist für mich aber nur die zweite Wahl, nach Option 3.
3. Option: Die persönliche Begleitung. Von einem Rothenburger Gästeführer persönlich durch die Gassen gelotst zu werden. Was kann es Besseres geben?
ErFAHRungen auf einer Reise durch Deutschland
Hoch motiviert, es ist schön wenn sich im Frühjahr die Gassen wieder füllen, bot ich mich also an Ihnen den Weg zu weisen. Meine Frage ob ich dazu in den Wagen steigen dürfe wurde auf eine sehr eindeutige Art beantwortet. Die Scheibe schloss sich gefühlt doppelt so schnell wie sie sich geöffnet hatte und der Wagen fuhr so schnell er konnte die belebte Schmiedgasse hinunter. Damit hatte sich auch Option 2 erledigt.
Tja, zum Helfen gehören immer Zwei, dachte ich mir dann. Der eine, der helfen möchte und der andere, der Hilfe annehmen kann.
So macht jeder seine Erfahrungen. Die Gäste haben anscheinend Angst bekommen. „Da will jemand in mein Auto!!!“. Ich habe mich nach dieser Situation mit aktiven Hilfsangeboten für einige Zeit sehr zurück gehalten. Aber irgendwie scheint das Paar den Weg gefunden zu haben. Denn ich sah den Mercedes an diesem und dem folgenden Tag dann nicht mehr. Was immer ein gutes Zeichen ist. Anders als Fahrzeuge die 3- oder 4-mal, immer in eine andere Richtung über den Marktplatz fahren. Das kommt vor und ist weder für die Insassen, noch die Anwohner oder die übrigen Besucher eine schöne Situation.
Fazit
In die wunderschöne Altstadt sollte nur einfahren wer sich auskennt und/oder einen guten Grund dafür hat.
Tipp für Blogleser: Für Übernachtungsgäste geben Rothenburger Übernachtungsbetriebe sicherlich gerne eine Anfahrtsempfehlung bis zum Haus. Einige Hotels haben eigene Parkplätze und Mitarbeiter die sich um das Parken kümmern. Für Tagesbesucher empfiehlt es sich das Fahrzeug vor der Altstadt zu parken.
Wer schreibt denn hier?
Bin ich ein Rothenburger? JAIN! Mein Wurzeln liegen nur 15 km von Rothenburg entfernt. Brettheim, früher ein Teil des Stadtgebietes der Reichsstadt mit ca. 180 Dörfern, liegt heute in einem anderen Bundesland (BW). Das erklärt, weshalb ich mich als Rothenburger fühle, inzwischen auch in der Altstadt lebe, aber nicht wie ein Rothenburger klinge. Ich bin ein Hohenloher mit entsprechendem Dialekt (wenn ich will oder darf) und habe mich während meines Zivildienstes (1990/91) in der Jugendherberge in die Stadt verliebt. Außerdem habe ich mich durch die Gäste aus aller Welt inspirieren lassen und das Reisen für mich entdeckt. Menschen, Länder, Abenteuer lassen mich immer wieder meine Koffer packen. Doch genauso gerne kehre ich immer wieder zurück in diese selten schöne Stadt. Aus Hobby wurde Beruf.
Bereits 1993 kam ich zur Gästeführerei. Im Jahr 2000 habe ich mit einem Freund ein Reiseunternehmen gegründet und bin seit dem selbstständiger Stadtführer, Reiseleiter und Driverguide für Gäste aus aller Welt im In- und Ausland. Doch mein Schwerpunkt ist und bleibt Rothenburg ob der Tauber.
Hier kenne ich mich am besten aus. Hier bin ich Zuhaus.
Ihr Harald Ernst